Zeitreise durch die Apothekengeschichte in Kiel
Kultur Ausstellungen
Die Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gehört zur Medizinischen Fakultät. Hervorgegangen ist sie aus dem ehemaligen Institut für Geschichte der Medizin und Pharmazie der Universität. Sie wird seitdem von Eva Fuhry geleitet und bietet Besuchenden eine faszinierende Reise durch die Geschichte der Heilkunde.

Öffnungszeiten: | Di bis Fr: 10.00 bis 16.00 Uhr So: 12.00 bis 16.00 Uhr |
Wo? | Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung |
Eintritt: | regulär 5,- Euro; ermäßigt 2,- Euro; Kinder bis 14 Jahre frei |
Geschichte der Sammlung
Den Grundstock bildete eine großzügige Schenkung des Schweizer Ehepaares Rolf und Danuta Stäheli, die 1987 einen erheblichen Teil ihrer umfangreichen Privatsammlung dem damaligen Institut für Geschichte der Medizin und Pharmazie überließen.
Diese Sammlung legte den Grundstein für das heutige Museum. Außerdem unterstützt die Gesellschaft der Förderer der Medizin- und Pharmaziehistorischen Sammlung kontinuierlich finanziell und materiell den weiteren Ausbau der Sammlung.
Neben einer repräsentativen Auswahl von Sachzeugnissen aus den Bereichen der Medizin und Pharmazie liegt der Sammlungsschwerpunkt auf der Bewahrung von Zeugnissen der Geschichte der Kieler Universitätskliniken und der Pharmazeutischen Institute sowie der Überlieferung der Medizin- und Pharmaziegeschichte Schleswig-Holsteins.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt des Objektbestandes liegt im Bereich der Röntgentherapie und -diagnostik.
Apothekenausstellung eröffnet 2013
Am 20. Oktober 2013 eröffnete die Medizin- und Pharmaziehistorische Sammlung ihre beeindruckende Apothekenausstellung als ersten Teil der Dauerausstellung.
Auf 130 Quadratmetern können Besucherinnen und Besucher durch original erhaltene Verkaufs- und Arbeitsräume einer historischen Apotheke wandeln und dabei hautnah erleben, wie Arzneimittel im 19. Jahrhundert hergestellt wurden.
Die Ausstellung ermöglicht einen authentischen Rundgang durch verschiedene Bereiche einer Apotheke und macht die Arbeitsweise vergangener Jahrhunderte lebendig.
Herzstück: Die Billstedter Offizin
Das absolute Herzstück der Ausstellung bildet die denkmalgeschützte Offizin der Billstedter Apotheke aus Hamburg. Das Museum erwarb diese kostbare historische Einrichtung im September 2013 durch eine großzügige Schenkung der Eigentümerin Inge Oelschläger.
Die Offizin ist der repräsentative Verkaufsraum einer Apotheke, in dem Kunden bedient und Arzneimittel verkauft wurden. Mit diesem Erwerb kehrt die Einrichtung quasi nach Schleswig-Holstein zurück, denn ihre Geschichte ist eng mit der Region verbunden.
Die Apotheke wurde 1894 als "Apotheke in Schiffbek" gegründet. Das Dorf Schiffbek lag damals noch im südlichen Holstein, bevor es zunächst in die Gemeinde Billstedt und schließlich 1937 nach Hamburg eingegliedert wurde.
Die Gemeinde beantragte 1893 die Neuerrichtung einer Apotheke bei der preußischen Provinzialregierung für Schleswig-Holstein, da die über 3.000 Einwohner eine bessere medizinische Infrastruktur benötigten.

Die ebenfalls ausgestellten Arbeitsräume der Lübecker St. Jakobi-Apotheke von 1874 ergänzen die Billstedter Offizin auf perfekte Weise. Diese außergewöhnlich gut erhaltenen Räume blieben nur durch das ausgeprägte Geschichtsbewusstsein der Eigentümerfamilie Stolle erhalten.
Als 1946 moderne Arbeitsräume im Haupthaus am Koberg errichtet wurden, durften die alten Räume im Hinterhaus in einen regelrechten Dornröschenschlaf verfallen.
Hunderte von Schubladen und Standgefäßen mit Rohstoffen für Arzneimittel, Herstellungsgeräte, historisches Mobiliar und technische Einbauten blieben so über Jahrzehnte völlig unverändert erhalten. 1997 gelangten sie schließlich in die Kieler Sammlung.
Die Geschichte der Apotheke ist außergewöhnlich gut dokumentiert, da sie sich 125 Jahre lang in Familienbesitz befand und der letzte Eigentümer die Entwicklung sorgfältig aufzeichnete.
Wirtschaftlicher Vorteil für die Schiffbeker
Die neue Apotheke brachte den Bewohnern von Schiffbek nicht nur den praktischen Vorteil kurzer Wege zu lebenswichtigen Arzneimitteln. Sie sparte ihnen auch erheblich Geld, denn in Holstein galt die preußische Taxe mit staatlich festgelegten Medikamentenpreisen.
Die benachbarten Hamburger Apotheken durften dagegen einen zusätzlichen Zuschlag auf jedes Medikament erheben, was die Arzneimittel dort deutlich teurer machte.
Entlang der bis Schiffbek schiffbaren Bille entstanden zu dieser Zeit mehrere Fabriken, die kontinuierlich Arbeiterfamilien anzogen. Die Apotheke entwickelte sich deshalb von Anfang an wirtschaftlich sehr gut und wurde für einen größeren Geschäftsbetrieb ausgelegt.
Rundgang durch verschiedene Apothekenräume

Der faszinierende Weg führt von der repräsentativen Offizin über die sorgfältig organisierte Materialkammer bis zur Stoßkammer, wo Pflanzenteile und andere Rohstoffe mit speziellen Geräten zerkleinert wurden.
Im anschließenden Labor zeigt die Ausstellung anschaulich, wie Arzneimittel in aufwändiger Handarbeit hergestellt wurden.
Die detailreiche Präsentation macht die komplexe Organisation eines Apothekenbetriebes im späten 19. Jahrhundert für moderne Besucher lebendig und verständlich.
Zu besonderen Anlässen und Veranstaltungen führt das Museum dort sogar die Herstellung traditioneller Apothekenprodukte vor und lässt Besuchende die historischen Arbeitsweisen hautnah miterleben.
Umfangreiche Objektsammlung
Der medizinhistorische Bereich zeigt eine beeindruckende Vielfalt an Instrumenten, Geräten und Untersuchungsstühlen des 19. und 20. Jahrhunderts. Besonders hervorzuheben ist eine einzigartige Sammlung von etwa 1.000 Patientenbildnissen, die im 19. Jahrhundert speziell für die Kieler chirurgische Klinik angefertigt wurden und medizinische Fälle dokumentieren.
Eine Internisten-Praxis mit originalem Behandlungszimmer, Röntgenzimmer und Labor vermittelt authentische Eindrücke eines Arztbesuches in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Einen faszinierenden Einblick in die Geschichte der medizinischen Ausbildung an der Kieler Universität gewähren etwa 500 pathologische und gerichtsmedizinische Feuchtpräparate von 1885 bis 1960 sowie umfangreiche Röntgenröhren- und Osteosynthesesammlungen.
Pharmaziehistorische Schätze

In der pharmaziehistorischen Ausstellung finden sich vor allem kostbare Zeugnisse aus privilegierten Apotheken Schleswig-Holsteins. Kunstvolle Apothekengefäße, präzise Waagen, komplexe Geräte der vorindustriellen Arzneimittelherstellung sowie seltene Drogen und Heilmittel werden in den authentischen historischen Apotheken-Einrichtungen präsentiert.
Ein besonderer Schatz der Sammlung ist ein niederländisches Heilpflanzen-Herbarium von 1684 sowie eine umfangreiche Sammlung zur Zahnheilkunde mit Objekten von 1860 bis 1980. Das Museum verfügt außerdem über eine öffentliche medizin- und pharmaziehistorische Präsenzbibliothek, die Forschern und interessierten Besuchern zur Verfügung steht.
Die Ausstellung erfüllt damit alle vier Hauptaufgaben eines modernen Museums:
- Sammeln
- Bewahren
- Forschen
- Vermitteln
Sie verwandelt stumme historische Objekte in lebendige Zeugnisse vergangener Arbeitspraktiken und macht die faszinierende Geschichte der Heilkunde für Menschen aller Altersgruppen erlebbar und verständlich.