Steinerne Zeugen: Beschilderung jüdischer Friedhöfe in Schleswig-Holstein

Jüdische Friedhöfe sind stille Zeugen einer langen und oft schmerzhaften Geschichte. Sie erzählen von Leben, Tod und Erinnerung der jüdischen Gemeinschaft. In Schleswig-Holstein gibt es 22 dieser besonderen Orte, die nun durch ein einzigartiges Projekt sichtbarer gemacht werden sollen. Mit einheitlichen Informationstafeln ausgestattet, werden sie zu Lernorten für die Bedeutung jüdischen Lebens in Vergangenheit und Gegenwart.

Grabsteine, Bäume und Büsche auf einem grünen Friedhof
Der jüdische Friedhof in der Michelsenstraße Kiel, © kiel-magazin.de

Ein Pionierprojekt zur Sichtbarmachung jüdischer Kultur

Das Projekt "Steinerne Zeugen. Beschilderung der jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein" ist ein bundesweit einmaliges Unterfangen. Ziel ist es, die über 2.000 jüdischen Friedhöfe in Deutschland als reiches kulturelles und religiöses Erbe ins Bewusstsein zu rücken. Die 22 Friedhöfe in Schleswig-Holstein sind nun Vorreiter für eine einheitliche Beschilderung.

Erarbeitet wurden die Texte für die Informationstafeln von engagierten Studierenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Unter der Leitung von Dr. Helge-Fabien Hertz haben sie seit September 2024 intensiv recherchiert und formuliert. Die Tafeln informieren über die Bedeutung der jüdischen Friedhöfe, ihre jeweilige Geschichte sowie über die beim Betreten einzuhaltenden Regeln.

Einweihung am 12. Mai in Kiel

Am Montag, 12. Mai, wurde um 11.00 Uhr die erste Beschilderung feierlich am Alten jüdischen Friedhof in der Michelsenstraße in Kiel eingeweiht. Nach einem Empfang im Gemeindehaus der Freien evangelischen Gemeinde Kiel wurden Grußworte von hochrangigen Vertretern aus Politik und jüdischen Gemeinden gesprochen.

Dr. Gerhard Ulrich, Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus des Landes Schleswig-Holstein, kam ebenso zu kommen wie Kiels Stadtpräsidentin Bettina Aust.

Eine Keynote zu den Jüdischen Friedhöfen in Schleswig-Holstein wurde von Dr. Helge-Fabien Hertz vom Steinheim-Institut und Lehrbeauftragter an der Uni Kiel gehalten. Viktoria Ladyshenski, Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein, lud im Anschluss zu einem geführten Gang über den Alten jüdischen Friedhof ein.

Studierende berichten von ihren Erfahrungen

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Die beteiligten CAU-Studierenden schildern ihre Eindrücke vom Projekt "Steinerne Zeugen" durchweg positiv. Für Maarten Herfurth bot es "die Chance, aktiv zu forschen und eigenständig zum Thema Judentum zu arbeiten". Neben Literaturrecherche waren auch Archivarbeit, lokale Recherchen und direkte Absprachen nötig.

Janine Schröder betont, wie viel sie über eigenständige Archivarbeit und administrative Abläufe in der Kommune gelernt hat. "Die Absprachen mit allen Beteiligten und der straffe Zeitplan stellten eine echte Herausforderung dar, die jedoch mit Geduld, Unterstützung und der Erinnerung daran, welch tollen Beitrag wir mit dem Projekt leisten, überwunden werden konnte."

Breite Unterstützung und Zusammenarbeit

Das Beschilderungsprojekt ist eine Kooperation mit den jüdischen Gemeinden und Landesverbänden in Schleswig-Holstein sowie allen Kommunen mit jüdischen Friedhöfen. Dazu zählen Ahrensburg, Bad Segeberg, Burg auf Fehmarn, Elmshorn, Eutin, Flensburg, Friedrichstadt, Glückstadt, Kiel, Lübeck, Neustadt in Holstein, Stockelsdorf und Westerrönfeld.

Auch die Stiftung Diakoniewerk Kropp, das Landesamt für Denkmalpflege, das Jüdische Museum in Rendsburg, die Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, der Landesbeauftragte für politische Bildung und die Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte (LAGSH) unterstützen das Vorhaben. Zahlreiche lokale Expert*innen, zumeist aus dem Kompetenznetzwerk NET OLAM, bringen ebenfalls ihre Expertise ein. Gefördert wird "Steinerne Zeugen" durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Jüdische Friedhöfe als Orte der Erinnerung stärken

Mit der Beschilderung der jüdischen Friedhöfe in Schleswig-Holstein soll deren Sichtbarkeit im öffentlichen Raum deutlich erhöht werden. Angesichts zunehmender antisemitischer Angriffe ist dies ein wichtiges Zeichen. Denn wie Stadtpräsidentin Aust betont: "Antisemitismus beginnt, wo Erinnerung ausgelöscht wird."

Die Informationstafeln machen die reiche jüdische Kultur und Geschichte sichtbar und schaffen Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie laden Besucherinnen und Besucher ein, sich mit diesem bedeutenden Erbe auseinanderzusetzen und sensibilisieren für einen respektvollen Umgang mit den Friedhöfen.

Indem sie jüdisches Leben als kontinuierlichen Teil der schleswig-holsteinischen Geschichte zeigen, leisten die "Steinernen Zeugen" einen Beitrag zur Festigung der Erinnerungskultur. Sie stärken das Bewusstsein für die Vielfalt unserer Gesellschaft und wirken Vorurteilen und Antisemitismus entgegen. Die Beschilderung ist aktive Erinnerungsarbeit und Prävention zugleich. Mit der Einweihung der ersten Tafel in Kiel startet nun die sukzessive Umsetzung an allen jüdischen Friedhöfen in Schleswig-Holstein.

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