Junge Surfer aus Hatay zu Gast in Kiel
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Vom Dienstag, 12. August, bis Dienstag, 19. August, empfängt die Landeshauptstadt Kiel neun Jugendliche und vier Begleitpersonen aus der türkischen Partnerstadt Hatay. Die sportlich-kulturelle Begegnungswoche an der Förde soll jungen Menschen aus der vom Erdbeben schwer getroffenen Region neue Perspektiven eröffnen und zeigt eindrucksvoll, wie internationale Partnerschaften in Krisenzeiten wirken

Erste große Reise ins Unbekannte
Für 9 Jugendliche aus der türkischen Provinz Hatay ist diese Woche in Kiel ein ganz besonderes Erlebnis: Es ist nicht nur ihre erste Reise ins Ausland, sondern auch ihr erster Flug in einem Flugzeug. Die Aufregung und Vorfreude der jungen Surferinnen und Surfer war bereits bei der Ankunft in Kiel deutlich spürbar. Was für deutsche Jugendliche oft selbstverständlich ist, bedeutet für diese Kinder aus der vom Erdbeben gezeichneten Region ein Abenteuer von unschätzbarem Wert.
Die Tatsache, dass sie zum ersten Mal ihr Heimatland verlassen und eine völlig neue Kultur kennenlernen, macht diese Begegnungswoche zu einem prägenden Lebenserlebnis. Jeder Moment - vom ersten Blick auf die Kieler Förde bis zum gemeinsamen Surfen auf ebendieser - wird für sie hoffentlich unvergesslich bleiben.
Der erste Tag des Aufenthalts war geprägt durch einen Empfang im Rathaus durch Stadtpräsidentin Bettina Aust mit anschließendem Aufstieg auf den Rathausturm. Mit strahlenden Augen und überwältigt von der Aussicht, ging es zum nächsten Highlight, dem Paternoster im Rathaus. Nachdem alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Reisegruppe eine Fahrt in ebendiesem genießen durften, ging es weiter auf eine Stadtführung durch Kiel.
Windsurfen als Brücke zwischen den Kulturen

Im Mittelpunkt der achttägigen Begegnungswoche steht das gemeinsame Windsurfen auf der Kieler Förde. Am 15. August lernen die türkischen Gäste das Windsurfen und andere Wassersportarten kennen. Die Jugendlichen, die in Schilksee untergebracht sind, zeigen sich begeistert von den neuen Möglichkeiten auf dem Wasser. Auch ein Besuch im Hochseilgarten am Falckensteiner Strand steht hoch im Kurs bei den jungen Besuchenden und bietet ihnen die Chance, ihre Grenzen zu überwinden.
Ein besonderer kultureller Austausch ist zwischen deutschen Surfschülern und den türkischen Jugendlichen im Wing- und Windsurfen geplant. Dabei können beide Seiten voneinander lernen und Freundschaften über Ländergrenzen hinweg knüpfen. Die Sprachbarrieren können schnell durch gemeinsame Erlebnisse auf dem Wasser überwunden werden.
Ihre sportlichen Ziele sind dabei beeindruckend ehrgeizig: Alle neun Mitreisenden träumen davon, zukünftige Meister in der türkischen Meisterschaft zu werden und in die türkische Segel-Nationalmannschaft aufgenommen zu werden. Diese Träume zeigen, wie sehr der Sport ihnen nach dem traumatischen Erdbeben wieder Hoffnung und Ziele gegeben hat.
Monatelange Planungen in zwei Ländern
Die Organisation dieser besonderen Begegnungswoche war eine logistische Herausforderung, die monatelange Vorarbeit erforderte. Seit März 2025 liefen die sorgfältigen Planungen parallel sowohl in Deutschland als auch in der Türkei. Die Verantwortlichen in beiden Ländern koordinierten unzählige Details - von der Visa-Beschaffung über die Flugbuchungen bis hin zur Unterbringung und dem Programm vor Ort.
In Kiel kümmerten sich die Stadtverwaltung und der Surf Club Kiel e.V. um die praktischen Vorbereitungen, während in Hatay das "Hatay Surf Merkezi" die Auswahl der Jugendlichen und deren Vorbereitung auf die Reise übernahm. Diese intensive Vorbereitung war notwendig, um den jungen Menschen, die noch nie ihr Heimatland verlassen hatten, die bestmögliche Erfahrung zu bieten.
Solidarität nach der Katastrophe
Die Geschichte dieser Begegnung beginnt mit einer Tragödie. Das verheerende Erdbeben vom Februar 2023 zerstörte große Teile der Stadt Hatay und riss Tausende Menschen in den Tod. Die Menschen in Kiel zeigten sich damals äußerst solidarisch und spendeten in einer beispiellosen Hilfsaktion rund 500.000 Euro für die Region. Auch Hatays zweite Partnerstadt Aalen initiierte eine Spendenaktion und sammelte eine vergleichbare Summe.
Diese Solidarität trägt bis heute Früchte: Mit den gesammelten Mitteln entsteht aktuell ein dringend benötigtes Rehabilitationszentrum in Hatay, das bis Ende des Jahres fertiggestellt werden soll. Das Zentrum wird vielen Menschen helfen, die körperliche und seelische Wunden aus der Katastrophe davongetragen haben.
Die heilende Kraft der Wellen

Aus der Katastrophe entstand auch eine besondere Initiative: Das "Hatay Surf Merkezi" wurde direkt nach dem Erdbeben gegründet. Der gemeinnützige Surfverein nutzt bewusst die "heilende Kraft der Wellen", um Kindern und Jugendlichen wieder Halt, Gemeinschaft und vor allem Perspektive zu geben. Die Initiatoren des bemerkenswerten Projekts sind der engagierte Surfer Deniz Toprak und der Mitgründer Cemal Akar.
Seit eineinhalb Jahren betreibt der Verein erfolgreich eine Surfschule, die bereits beachtliche Erfolge vorweisen kann. Viele Kinder hatten panische Angst vor dem Wasser - durch die geduldige Arbeit der Surfschule ist diese Angst komplett verschwunden. Das Wasser ist für sie wieder zu einem Ort der Freude und des Vertrauens geworden.
Besonders bemerkenswert ist die Geschlechterverteilung: Während in Deutschland etwa 80 Prozent der Surfer männlich sind, ist das Verhältnis in der türkischen Surfschule nahezu ausgeglichen. Die Hatay Surfschule hat nach nur eineinhalb Jahren bereits sehr gute Surferinnen in ihren Reihen, die bei nationalen Wettkämpfen mithalten können.
Persönliche Initiative der Stadtpräsidentin
Die Idee für diese Begegnungswoche geht auf eine persönliche Initiative zurück. Stadtpräsidentin Bettina Aust hatte bei ihrem Antrittsbesuch im Herbst 2024 in Hatay das "Hatay Surf Merkezi" kennengelernt und war von der Arbeit der Jugendlichen und ihrer Betreuer tief beeindruckt. Sie traf die Jugendlichen vor Ort und erkannte sofort das Potenzial eines Austauschs mit Kiel.
Starke Kooperationspartner
Der Besuch findet in enger Kooperation mit dem Surf Club Kiel e.V. statt, der seine Expertise und Ausrüstung zur Verfügung stellt. Zusätzliche Unterstützung kommt von der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V., die als kulturelle Brücke fungiert und bei Verständigungsfragen hilft.
Während die türkischen Jugendlichen Kiel kennenlernen und ihre Surfkünste auf der Förde perfektionieren, nehmen gleichzeitig 2000 Kinder am traditionellen Kieler Ferienpaß teil. Ein gemeinsamer Surfgang mit Kindern aus dem Ferienspaß ist geplant, aber es noch nicht sicher, ob dies auch in der Praxis klappt.
Symbol für internationale Zusammenarbeit
Diese Begegnungswoche ist weit mehr als ein sportlicher Austausch. Sie zeigt eindrucksvoll, wie Sport Brücken zwischen Kulturen bauen und jungen Menschen nach traumatischen Erfahrungen neue Hoffnung und Lebensmut geben kann. Die Partnerschaft zwischen Kiel und Hatay wird durch solche persönlichen Begegnungen mit Leben gefüllt und schafft Verbindungen, die weit über offizielle Beziehungen hinausgehen.
Für die neun jungen Menschen aus Hatay ist diese Woche in Kiel nicht nur ein Abenteuer, sondern auch ein Zeichen dafür, dass sie nach der Katastrophe nicht vergessen wurden. Sie kehren mit neuen Erfahrungen, Freundschaften, der Erinnerung an ihren ersten Flug und der Gewissheit nach Hause zurück, dass die Welt größer ist als ihre vom Erdbeben gezeichnete Heimat. Diese erste Auslandserfahrung wird sie ihr ganzes Leben lang begleiten und ihnen Mut machen, weiter zu träumen und ihre Ziele zu verfolgen.