Der Gottorfer Globus: Das erste Planetarium der Welt
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Vor 350 Jahren galt er als astronomisches Wunderwerk: der Gottorfer Globus. Das erste Planetarium der Geschichte steht heute wieder an seinem ursprünglichen Ort auf der Schlossinsel Gottorf. Ein originalgetreuer Nachbau begeistert Besucher mit der einzigartigen Verbindung von Himmel und Erde - eingebettet in einen prachtvoll rekonstruierten Barockgarten.

Ein Herzog mit wissenschaftlicher Vision
Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf wollte den Zusammenhang von Himmel und Erde verstehen. Der wissenschaftsliebende Herrscher beauftragte ab 1650 seinen Hofgelehrten Adam Olearius mit einem bis dahin einzigartigen Projekt: dem Bau eines riesigen, begehbaren Globus.
Nie zuvor war ein astronomisches Projekt derartigen Ausmaßes gewagt worden. Mit einem Durchmesser von über drei Metern bot der Globus bis zu zwölf Personen Platz. Die Besucher saßen auf einer umlaufenden Holzbank im Kugelinneren und erlebten ein figürlich ausgeschmücktes Himmelsgewölbe, das den Lauf der Gestirne vorführte.
Meisterwerk der Technik und Kartographie
Die Außenfläche der doppelwandigen Hohlkugel zeigte die gesamte damals bekannte Welt kartographisch. Im Zentrum des Globus vergegenwärtigte eine Halbkugel auf einem Tischchen die Erde um ihre geneigte Achse. Ein Wassermühlenantrieb sollte die Apparatur bewegen. Getriebe aus dem zeitgenössischen Uhrenbau sorgten für eine Umdrehung in 24 Stunden. Wer nicht warten wollte, konnte eine Handkurbel betätigen.
Das mechanisch bewegte Erdglobus außen und das von Kerzen erhellte Planetarium innen basierten auf dem ptolemäischen, geozentrischen Weltbild. Besucher bestaunten es als wissenschaftlich-kosmologisches Anschauungsobjekt ersten Ranges.
Von Schleswig nach St. Petersburg
Der Globus verschaffte den Schleswiger Herzögen unter europäischen Gelehrten großes Ansehen. Er stand für die wissenschaftliche Ambition und das künstlerische Mäzenatentum Friedrich III. Selbst Zar Peter der Große begehrte das Wunderwerk.
1713 erbat sich der wissenschaftsinteressierte Zar den Globus als Geschenk, nachdem die Gottorfer gegen die dänische Krone eine Niederlage erlitten hatten. Er ließ den Globus aus der Friedrichsburg herausbrechen und nach St. Petersburg verbringen. Dort befindet sich das durch Feuer, Kriegswirren und weite Reisen stark beschädigte Original noch heute.
Drei Jahre für die perfekte Rekonstruktion
In fast dreijähriger Arbeit entstand eine getreue Nachbildung nach den in St. Petersburg überlieferten Konstruktionsprinzipien. Jochen Sörensen fand als kongenialer Nachfolger von Andreas Bösch, dem einstigen Erbauer, die perfekte Balance zwischen historischer Treue und modernen Sicherheitsanforderungen.
Alle sichtbaren Teile wurden so authentisch wie möglich angefertigt. Die nicht sichtbaren Teile erhielten modernste Technik. Während der alte Globus durch einen nie funktionierenden Wasserkraftantrieb bewegt werden sollte, setzt ein eigens entwickeltes Getriebe den neuen Gottorfer Globus in Bewegung.
Einzigartige Darstellung von Himmel und Erde

Die gleichzeitige Darstellung von Himmel und Erde - Rücken an Rücken - ist bis heute einzigartig. Die Außenseite zeigt die gesamte damals bekannte Welt kartographisch. Die Innenseite spiegelt den gestirnten Himmel erstmals seitenrichtig so wider, wie ihn Betrachter von der Erde aus beobachten können.
Die Darstellung der Erde beruht auf einem Erdglobus von W.J. Blaeuw aus der österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Mit einem komplizierten optischen Verfahren entstanden verzerrungsfreie Globusstreifen. Die Universität Heidelberg digitalisierte und reinigte die durch Gebrauchsspuren teilweise unleserlichen Streifen. Der Berliner Maler Klaus Butzke übertrug die Kontinente und zahllosen erzählerischen Szenen auf die Außenhülle.
Der prächtige Barockgarten erstrahlt in neuem Glanz
Die Gottorfer Schlossinsel war im 17. Jahrhundert umringt von prächtigen Gärten. Ab 1637 ließ Herzog Friedrich III. durch seinen Hofgärtner Johannes Clodius das sogenannte Neue Werk anlegen - den Vorläufer des heutigen Barockgartens. Friedrich III. wollte dort viele im 17. Jahrhundert noch exotische Pflanzenarten zeigen.

Um 1650 entstand im Scheitel der halbrunden Böschungsmauer das prächtige Lusthaus, in dem nach einem Umbau 1654 der Gottorfer Globus aufgestellt wurde. Unter Herzog Christian Albrecht erfuhr der Garten ab 1660 tiefgreifende Veränderungen: Er wurde um vier Terrassen nach Norden erweitert.
Michael Tatter, der Gärtner Christian Albrechts, gestaltete den Garten ganz im Sinne absolutistischen Denkens und folgte dem Vorbild Versailles. Die Terrassen erhielten ein hierarchisches Wegsystem mit prächtigen Freitreppen, Kaskaden und Fontänen sowie eine aufwendige Binnengliederung mit Buxpflanzen.
Vom Reitplatz zurück zur barocken Pracht
Mit dem Abtransport des Globus 1713 und der Zerstörung des Globushauses schien das Schicksal des Gartens besiegelt. Als Gottorf nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 zur preußischen Kaserne wurde, füllte man die Terrassen teilweise mit Erde auf. Die Fläche diente der preußischen Garnison als Reitplatz.
Heute erstrahlt der fünfstufige Terrassengarten italienischen Zuschnitts wieder in seiner barocken Pracht. Die Zeit Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius sowie die Deutsche Bundesstiftung Umwelt finanzierten die aufwendige Wiederherstellung.
Neues Globushaus mit historischem Bezug
Das neue Globushaus steht an exakt jener Stelle, wo Herzog Friedrich III. seine Friedrichsburg errichten ließ. Hilmer & Sattler + Albrecht entwarfen das erste Gebäude, das ausschließlich für die Präsentation des Globus konzipiert wurde.
Die Architekten griffen bewusst die historische Architektur des 17. Jahrhunderts auf und übersetzten sie in eine moderne Architektursprache. Durch riesige Fenster können Besucher den Globus erstmals von außen sehen und die prächtige Darstellung der Erde vom Garten aus bewundern.
Die Hermann Reemtsma Stiftung ermöglichte den Bau des neuen Globushauses und des getreuen Modells. So können Besucher heute wieder das erste Planetarium der Menschheit erleben – in einem Ambiente, das der ursprünglichen barocken Pracht würdig ist.