Gedenkinstallation für Dr. Clara Stier-Somlo: Eine Stimme gegen das Vergessen
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Schülerinnen und Schüler des Kieler Abendgymnasiums RBZ Wirtschaft Kiel präsentierten am 3. Juni 2025 in der Universitätsbibliothek Kiel die Ergebnisse eines Projekts, das sich mit dem Leben und Schicksal der jüdischen Bibliothekarin Dr. Clara Stier-Somlo auseinandersetzte. Die Veranstaltung war nicht nur eine Hommage an eine der ersten Frauen im höheren Bibliotheksdienst, sondern auch eine eindringliche Mahnung gegen die Unterdrückung von Literatur, Wissenschaft und Freiheit im Nationalsozialismus.

Das Schicksal von Clara Stier-Somlo
Die promovierte Nationalökonomin arbeitete bis 1933 an der Universitätsbibliothek Kiel, bevor sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entlassen wurde. Ihr Großvater war Rabbiner an der Neuen Synagoge in Berlin, rechtswissenschaftliche Bücher ihres Vaters Fritz Stier-Somlo werden wahrscheinlich bei den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten 1933 auf dem Scheiterhaufen gelegen haben. Als eine von 37 Frauen deutschlandweit im höheren Bibliotheksdienst war sie Vorreiterin in ihrem Feld.
Am 1. April 1933 wurde Clara Stier-Somlo unter Gewaltandrohung von Nationalsozialisten aus der Bibliothek gedrängt. Der Vorwurf: Sie habe zu viel katholische und jüdische Literatur für den Bestand beschafft. Nach ihrer formalen Entlassung aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" emigrierte sie noch im selben Jahr nach Prag. Doch auch dort war sie nicht sicher. 1942 wurde sie in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.
Audioinstallation lässt Geschichte lebendig werden
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Um das Schicksal von Clara Stier-Somlo greifbar zu machen, entwickelten die Schülerinnen und Schüler eine eindrucksvolle Audioinstallation. Unterstützt wurden sie dabei von der Hörspiel- und Radiofeature-Produzentin Daniela Herzberg und der bildenden Künstlerin Kristin Grothe. Die Installation rekreiert ihren Arbeitsplatz und wird durch Briefe und persönliche Dokumente vervollständigt. Ein weißes Bettlaken symbolisiert, dass der Arbeitsplatz verlassen ist. An der Wand findet sich ein vergrößerter Abdruck der Meldung, dass Clara Stier-Somlo nach einem Besuch der SA nach Hause geschickt wurde.
Das Herzstück der Installation ist ein umgebautes Telefon. Durch verschiedene Knöpfe können Besucher Audiobeiträge anhören, die das Leben und Wirken von Clara Stier-Somlo lebendig werden lassen. Lesungen persönlicher Briefe und Dokumente aus dem Familienarchiv geben einen intimen Einblick in ihre Geschichte. Die Installation ist zum Anfassen und lädt dazu ein, sich mit dem Schicksal der Bibliothekarin auseinanderzusetzen. Ein informativer Flyer rundet das Kunstwerk ab.
Exillyrik als Gegenstück zur Unterdrückung
Eine weitere Klasse beschäftigte sich im Rahmen des Projekts mit Exilgedichten aus der Zeit des Nationalsozialismus. Diese Gedichte sind ein starkes Gegenstück zur Unterdrückung von Literatur und freier Meinungsäußerung. Sie geben den verfolgten und vertriebenen Autorinnen und Autoren eine Stimme und setzen ein Zeichen für die Werte, die uns allen wichtig sind: Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit. Auch einige Gedichte sind durch das Telefon zu hören.
Ein Projekt mit Signalwirkung
Das Projekt ist mehr als nur eine Ausstellung. Es ist ein starkes Signal gegen das Vergessen und für die Werte unserer Demokratie. Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Schicksal von Clara Stier-Somlo sind die Schülerinnen und Schüler zu Botschaftern der Erinnerung geworden.
Die Vernissage war geprägt von Dankbarkeit – Dankbarkeit gegenüber den engagierten Jugendlichen, den beteiligten Künstlerinnen und den unterstützenden Lehrkräften und Schulleitungen. Aber auch Dankbarkeit dafür, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, in der wir offen über die Verbrechen der Vergangenheit sprechen können.
Die Ausstellung ist ein wichtiger Beitrag zu einem kontinuierlichen Prozess der Erinnerungskultur. Sie macht deutlich, dass Gedenken keine abstrakte Pflichtübung ist, sondern eine lebendige Auseinandersetzung mit den Schicksalen von Menschen wie Clara Stier-Somlo. Die Audioinstallation ist voraussichtlich bis zum 7. September 2025 im Eingangsbereich der Universalbibliothek der CAU Kiel zu sehen.