Einblicke in den Tschad: Fotoausstellung zeigt Leben in einem verborgenen Land

Der Schweizer Fotograf Walter Zürcher präsentiert vom 11. September bis 11. Dezember 2025 im Bürgerhaus Mettenhof in Kiel eine außergewöhnliche Fotoausstellung. In Kooperation mit den Kieler Pixelschubsern zeigt er eindrucksvolle Bildgeschichten aus dem Tschad, einem der ärmsten und gefährlichsten Länder der Welt.

Ein Plakat für eine Fotoausstellung im Kieler Stadtteil Mettenhof über das Leben und die Menschen im afrikanischen Land Tschad
Das Plakat zur Ausstellung "Menschen im Tschad", © Kieler Pixelschubser
Wann? 11. September 2025 bis 11. Dezember 2025
Wo? Bürgerhaus Mettenhof
Eintritt? frei

Schwierige Einreise in eine Diktatur

Walter Zürcher kam durch seine Cousine in den Tschad und die Einreise alleine gestaltete sich schon extremst kompliziert. Er musste durch eine kirchliche Hilfseinrichtung eingeladen werden, um überhaupt ins Land zu dürfen. Sechs Monate dauerte es, bis die Erlaubnis vonseiten der Regierung des Tschad eintraf. Der Tschad selbst ist eine totalitäre Diktatur mit strengen Kontrollen und viel Geheimpolizei.

In der Hauptstadt N'Djamena verbrachte Zürcher nur vier Tage, denn dort war es unmöglich, Fotos zu machen. Überall patrouillierten Militär und Sicherheitskräfte. Anschließend ging es für ihn 300 Kilometer weiter in das Dorf Koyom unweit der Grenze zu Kamerun.

Bei der Ausreise aus dem Tschad wurde er zweimal kontrolliert und musste seine SD-Karten verstecken, um die Bilder sicher außer Landes zu bringen. Alle Medien stehen unter staatlicher Kontrolle und wenige Menschen nutzen Kurzwellenradio, um ausländische Radiosender zu empfangen.

Leben in extremer Armut

Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei umgerechnet nur 900 Dollar. Ein Arzt verdiente etwa knapp 50 Euro pro Monat, während eine Geburt 3,50 Euro kostete. Zürcher war bei drei Operationen dabei und dokumentierte die schwierigen Bedingungen. Angehörige müssen ihre Kranken selbst pflegen und sogar Decken mitbringen. Auf 135.000 Menschen kommt nur ein einziger Arzt.

Die Hütten der Dorfbewohnerinnen und -bewohner haben weder Wasseranschluss noch Strom, verfügen aber über traditionelle Teppiche. Kleidung wird in den meisten Fällen auch selbst genäht Traditionelle Lehmsteine werden von den Menschen im Dorf durch Trocknen hergestellt, sind aber durch das ausbleibende Brennen bei Regen weniger beständig. Die Männer begeisterten Zürcher durch ihre Schnelligkeit beim Steine backen. Alles wird wiederverwertet, besonders bei Autos, die selbst in Eigenarbeit repariert werden.

Nomaden als Höhepunkt der Reise

Die Begegnung mit Nomaden bezeichnete Zürcher als Höhepunkt seiner Reise. Er musste den Stammesführer um Erlaubnis für Fotografien bitten. Alle Menschen waren vorsichtig und müssen vor dem Fotografieren gefragt werden. Die Menschen hofften, die Bilder von sich als Papierfotos zu bekommen, sobald Zürcher wieder in der Schweiz war – was sie auch taten. Postfächer zum Erhalt der Bilder gibt es allerdings nur in der Hauptstadt.

Kinder kamen teilweise auf ihn zu, um fotografiert zu werden. Seine Cousine und ihr Mann reisen auch in ihrer Rente noch jedes Jahr in den Tschad, um weiterhin vor Ort zu helfen. Deren Namen waren im Dorf sehr bekannt und halfen bei der Rechtfertigung seiner Anwesenheit. Zürcher wäre niemals sonst in den Tschad gereist.

Harte Lebensbedingungen und Alltag

Zürcher war während der Trockenzeit dort, bei Temperaturen bis 40 Grad. Die Küche ist sehr fleischarm und das Nationalgericht Boule besteht aus Hirsemehl und Wasser und wird mit verschiedenen Saucen serviert. In der tschadischen Kultur symbolisiert Boule Gastfreundschaft und wird zu allen möglichen Anlässen serviert. Die Vielfalt der möglichen Begleitungen macht aus dem scheinbar einfachen Boule ein facettenreiches Nationalgericht.

Er selbst vermied Fisch und Fleisch aus Angst vor Lebensmittelvergiftungen. Einmal pro Woche war Markt, die Männer fuhren gemeinsam mit dem Auto hin, während Frauen und Kinder laufen mussten. Im Nachbardorf auf dem Markt gab es etwa zwölf Stände mit Zwiebeln, Knoblauch, regionalem Gemüse, kleinen Benzinmengen und etwas Fleisch. In der Hauptstadt ist die Auswahl natürlich größer.

Holz war lange Zeit eine wichtige Handelsware, es darf aber seit 2009 nicht mehr abgeholzt werden, weil die Ausbreitung der Sahara nicht noch schneller voranschreiten soll. Der Umweltschutz steht im direkten Konflikt mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung.

Chinesische Präsenz sorgt für Unmut

Viele Chinesen leben aufgrund wirtschaftlicher Projekte seitens China im Tschad, sind dort aber nicht sonderlich beliebt. Sie führen sich unfreundlich und überheblich auf, was bei der lokalen Bevölkerung für Unmut sorgt. Diese chinesische Präsenz prägt das Bild des Landes mit.

Die Bildungssituation ist dramatisch. Kinder besuchen im Durchschnitt nur 2,5 Jahre die Schule. Nur 22 Prozent der Bevölkerung können überhaupt lesen und schreiben. Nach Schulschluss gehen die Kinder singend in Zweierreihen mit den Lehrkräften zusammen zum zentralen Dorfplatz, alles für mehr Disziplin.

Die Betreuerinnen im Kindergarten haben oft einen Stock für Autorität in der Hand, da die Kinder wenige bis keine Regeln für den Umgang miteinander beherrschen und so dem Chaos Herr geworden werden soll. Viele Kinder haben zudem kein oder nur sehr wenig Spielzeug, auch im Kindergarten. Zürcher tat dieser Umstand dermaßen leid, dass er aus der Schweiz eine Lieferung von Papier und Farbstiften an ebendiese Kinder veranlasste. Die Sterblichkeit bei Kindern und Müttern ist allgemein sehr hoch und der Tschad ist ein sehr junges Land mit einer hohen Geburtenrate und einem geringen Durchschnittsalter.

Arbeiten unter schwierigen Bedingungen

Zürcher fotografierte auch in einer Werkstatt, wo ohne richtige Schutzausrüstung und mit Sandalen unter anderem geschweißt wird. Die Arbeitsbedingungen sind extrem gefährlich. Er war bis heute der erste und letzte Fotograf in dem Buschhospital, das er dokumentierte.

Trauriges Ende einer Begegnung

Das traurigste Erlebnis für Zürcher war der Tod eines gehörlosen Jungen, den er jeden Tag gesehen hatte. Der Junge starb kurz nach Zürchers Rückkehr in die Schweiz an Malaria, weil dessen Eltern keinerlei Geld für einen Krankenhausaufenthalt hatten. Diese persönliche Tragödie verdeutlicht die schwierigen Lebensbedingungen und die mangelnde medizinische Versorgung.

Trotz der extremen Armut sind die Menschen sehr dankbar. Diese Dankbarkeit beeindruckte Zürcher nachhaltig und prägt seine Fotografien. Die Menschen zeigen eine Lebensfreude, die im Kontrast zu ihren schwierigen Lebensbedingungen steht.

Zweite Ausstellung erst überhaupt

Dies ist erst die zweite Ausstellung der Fotos überhaupt. Der 1. Vorsitzende des DVF Nordmark (Deutscher Verband für Fotografie) für Schleswig-Holstein und Niedersachsen fand die Bilder besonders brührend und entschied, sie in Kiel zu zeigen.

Walter Zürcher lebt heute in der Nähe der Schlei. Durch seinen früheren Job lernte er die Region um Schleswig kennen und verliebte sich in sie. Seine Bilder zeigen ein Land, über das sein Bekanntenkreis vor der Reise nichts wusste – und das sich seit 2010 kaum verändert hat. Lediglich das Krankenhaus ist moderner geworden und hat eine bessere Infrastruktur erhalten.

Die Ausstellung bietet einen einzigartigen Einblick in ein Land, das vor der Weltöffentlichkeit normalerweise verborgen bleibt. Zürchers Fotografien dokumentieren nicht nur die Armut, sondern auch die Würde und den Lebensmut der Menschen im Tschad.

Kooperation mit den Kieler Pixelschubsern

Die Ausstellung entstadt in Zusammenarbeit mit den Kieler Pixelschubsern. Diese lokale Fotografengruppe unterstützt die Präsentation der besonderen Bildgeschichten, denn gemeinsam möchten sie das Bewusstsein für die Lebenswirklichkeit in Afrika schärfen.

Besichtigung während der Öffnungszeiten

Interessierte können die Ausstellung während der regulären Öffnungszeiten des Bürgerhauses Mettenhof besuchen. Die Veranstalter freuen sich auf zahlreiche Besucher und hoffen, dass diese besondere Ausstellung auf breites Interesse stößt.

Die Fotografien bieten eine seltene Gelegenheit, authentische Einblicke in ein Land zu gewinnen, über das in den westlichen Medien selten berichtet wird. Zürchers Werk zeigt den Tschad fernab von Klischees und Vorurteilen. Henri Cartier-Bresson sagte dazu einst passend: "Ein gutes Foto ist ein Foto, auf das man länger als eine Sekunde schaut.”

Quelle:  Interview mit Walter Zürcher

Ortsinformationen

Bürgerhaus Mettenhof
Vaasastraße 43a
24109 Kiel
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