Die Geschichte des THW Kiel: Von den Anfängen 1923 bis zum Rekordmeister
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Der Handballverein THW Kiel ist eine Legende des Sports, die seit über 100 Jahren die deutsche Handballlandschaft prägt. Von bescheidenen Anfängen 1923 bis hin zum erfolgreichsten deutschen Handballverein aller Zeiten, die Geschichte der "Zebras" ist eine faszinierende Reise durch ein Jahrhundert voller Triumphe, Rückschläge und unvergesslicher Momente.

Die Geburtsstunde des Handballs beim THW (1923-1945)
Wie alles begann
Im Sommer 1923 warfen sich Jugendliche auf dem Platz des Priesterseminars in der Diesterwegstraße erstmals unter dem Dach des 1904 gegründeten Turnvereins Hassee-Winterbek Kiel Bälle zu. Der Handball war damals eine noch junge Sportart – erst 1917 erfunden. Die Anfänge waren mehr als bescheiden: Den Enthusiasten standen zwar genau ein Ball zur Verfügung, aber keine Tore und kein eigener Platz.
Das erste Spiel fand am 28. Oktober 1923 zwangsläufig "auswärts" beim Kieler Männerturnverein KMTV statt. Die 0:3-Niederlage entmutigte die Handball-Pioniere keineswegs. Bereits am 9. Dezember 1923 feierten die THW-Handballer mit einem 1:0-Erfolg gegen den Kieler Turnerbund den ersten Sieg ihrer Vereinsgeschichte.
Die Entstehung der "Zebras"
Binnen zehn Jahren entwickelte sich der THW zur Handball-Macht in Kiel. Ein entscheidendes Detail veränderte das Erscheinungsbild des Vereins für immer: Irgendwann zwischen 1925 und 1927 tauschten die THW-Handballer das weiße Shirt gegen ein schwarz-weiß gestreiftes. Die "Zebras" waren geboren – ein Spitzname, der bis heute das Markenzeichen des Vereins ist.
Frühe Erfolge und Kriegsjahre
Die Handballsparte erlebte innerhalb kurzer Zeit einen großen Mitgliederzuwachs. 1926 nahmen acht Mannschaften am Spielbetrieb teil. Bereits 1931 stellten die Kieler mit 19 Mannschaften die größte Abteilung in ganz Norddeutschland. Die Herren erreichten 1932 erstmals eine überregionale Meisterschaft innerhalb der Deutschen Turnerschaft.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten übernahm der Verein deren politische Linie. Trotz anfänglicher Rückschläge – viele Jugendliche verließen den Verein – gelang 1934 der Aufstieg in die Handball-Gauliga Nordmark. Fritz Westheider trieb eine Umstrukturierung voran, die den sportlichen Aufstieg einleitete.
1937, 1938 und 1939 wurden die Kieler jeweils Gauliga-Vizemeister hinter dem Oberalster VfW aus Hamburg. 1944 erreichten sie erstmals die Meisterschaft und die damit verbundene Teilnahme an der deutschen Meisterschaft, schieden aber nach einer 5:7-Niederlage gegen die Marineschule Wesermünde in der Vorrunde aus.
Die goldenen Jahre des Feldhandballs (1945-1957)
Wiederaufbau nach dem Krieg
Bereits wenige Monate nach Kriegsende trugen die THW-Mannschaften wieder Freundschaftsspiele aus. Innerhalb der ersten beiden Nachkriegsjahre erlebte die Handballsparte einen enormen Mitgliederzulauf. 1947 stellte der THW die meisten Handballmannschaften in den Besatzungszonen der Westmächte.
Die ersten deutschen Meisterschaften
1947 gewannen die Kieler durch einen 9:4-Sieg über den Flensburger TB die schleswig-holsteinische Landesmeisterschaft im Feldhandball. Ein Jahr später folgte der erste große Triumph: Am 21. Juni 1948 traf der THW in Oberhausen auf den SV Waldhof Mannheim. Nach einem 3:2-Halbzeitrückstand gewannen sie mit 10:8 gegen die Süddeutschen – die erste deutsche Meisterschaft des THW.
Die von Fritz Westheider trainierte Mannschaft qualifizierte sich 1950 erneut für das Finale. Vor 22.000 begeisterten Zuschauern im neu eröffneten Holstein-Stadion setzte sich die Mannschaft um Spieler wie Hein Dahlinger und Herbert Podolske mit 10:9 gegen die SV Polizei Hamburg durch und errang die zweite Meisterschaft.
Erfolge in der Halle
Parallel zum Feldhandball blieb der THW auch in der Halle erfolgreich. Bei der Meisterschaft 1952 erreichte Kiel den vierten Platz, 1953 und 1956 jeweils den zweiten Platz. Das erste Meisterstück im Hallenhandball gelang bei der Endrunde 1957, als der THW im Finale den TC Frisch Auf Göppingen mit 7:5 besiegte – der Grundstein der späteren Erfolgsgeschichte war gelegt.
Der Übergang zur Bundesliga-Ära (1957-1990)
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Wegweisende Entscheidung
1959 traf der Verein eine zukunftsweisende Entscheidung: Als einer der ersten hochklassig spielenden Vereine unterschied der TV Hassee-Winterbek deutlich zwischen Feldhandball und Hallenhandball, bildete zwei getrennte Mannschaften und legte den Schwerpunkt auf Hallenerfolge.
Diese Neuausrichtung war zunächst sehr erfolgreich: 1960 erreichte der THW die Vizemeisterschaft, 1962 und 1963 folgten die zweite und dritte deutsche Meisterschaft in der Halle. Für die zur Spielzeit 1966/67 neu eingeführte Handball-Bundesliga konnten sich die Kieler zunächst nicht qualifizieren, schafften aber gleich in der zweiten Saison den Aufstieg.
Etablierung im oberen Tabellendrittel
Nach mühsamem Start in die neue eingleisige Bundesliga 1977 – jeweils nur ein Punkt Vorsprung auf den Abstiegsrang sicherte den Klassenerhalt – etablierte sich der Verein seit den 1980er Jahren im oberen Tabellendrittel der Liga. Die besten Platzierungen waren drei Vizemeisterschaften in den Spielzeiten 1982/83, 1984/85 und 1988/89.
Der Aufbau einer Meistermannschaft (1990-1993)
Der entscheidende Transfer
1990 gelang Manager Heinz Jacobsen der wahrscheinlich wichtigste Transfer der Vereinsgeschichte. Der 26-jährige schwedische Weltmeister Magnus Wislander wurde von Redbergslids IK verpflichtet. Mit ihm zog der THW in die Play-off-Runde der Saison 1990/91 ein.
In der folgenden Saison 1991/92 wurden die Flügel mit Martin Schmidt und Christian Scheffler besetzt, die beide bis 2003 bleiben sollten. Zur Saison 1992/93 wechselte Linksaußen Uwe Schwenker auf den Manager-Posten. Zur Saison 1993/94 wurden die letzten Puzzlestücke erworben: Kreisläufer Klaus-Dieter Petersen kam aus Gummersbach und Zvonimir "Noka" Serdarušić besetzte die Trainerbank.
Die Ära "Noka" Serdarušić (1993-2008)
Aufstieg zur deutschen Spitze
Unter "Noka" Serdarušić entwickelte sich der THW Kiel zur erfolgreichsten Handballmannschaft Deutschlands. 31 Jahre nach der letzten Deutschen Meisterschaft feierte Kiel 1994 tagelang seine Meisterhelden um Klaus-Dieter Petersen. Die auch in den folgenden zwei Jahren die "Schale" nach Kiel holten.
1998 gewann der THW Kiel neben der Meisterschaft erstmals den DHB-Pokal und mit dem Erfolg im EHF-Pokalfinale gegen Flensburg auch den ersten europäischen Titel – das Premieren-"Triple" wurde an der Förde gefeiert.
Internationale Erfolge
2007 gelang in zwei dramatischen Finalspielen gegen Flensburg der erste, langersehnte Triumph in der Champions League – verbunden mit dem Triple. In der Bundesliga gewannen die "Zebras" sechs Meisterschaften in Folge – Rekord! 2007 lösten sie mit dem insgesamt 13. Titel den VfL Gummersbach als bisherigen Rekordmeister ab.
In Serdarušićs Amtszeit holte der THW elf deutsche Meisterschaften. Der Höhepunkt war die Saison 2007, in der die Kieler das historische Triple mit dem Sieg der Champions League, des DHB-Pokals und der Deutschen Meisterschaft feiern konnten.
Die Ära Alfreð Gíslason (2008-2019)
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Neue Rekorde und Erfolge
Alfreð Gíslason übernahm 2008 das Amt des Cheftrainers. In seiner ersten Saison wurde der THW Kiel Deutscher Meister mit einem neuen Rekord von nur drei Minuspunkten. 2010 gewannen sie zum ersten Mal in einem Final-Four-Modus die Champions League, indem sie im Halbfinale BM Ciudad Real mit 29:27 und im Finale den FC Barcelona mit 36:34 besiegten.
Die perfekte Saison
Die Bundesligasaison 2011/12 war die erfolgreichste in der Vereinsgeschichte: Der THW gewann alle Saisonspiele und schaffte es damit, im Handball als erste Mannschaft der Bundesligageschichte eine Saison verlustpunktfrei zu überstehen. Die perfekte 68:0-Triplesaison, in der man neben dem Pokal und der Champions League die Meisterschaft ohne einen einzigen Punktverlust gewann, sorgte für einen weiteren Eintrag in die Geschichtsbücher.
Unter Gíslason sorgten die "Zebras" mit zwei weiteren Champions-League-Erfolgen (2010 und 2012) für Furore. Die Mannschaft stellte zahlreiche Bundesligarekorde auf, darunter 40 Siege in Folge und 51 Spiele ohne Niederlage.
Die Ära Filip Jícha (seit 2019)
Kontinuität an der Spitze
Nachdem Alfreð Gíslason seine Tätigkeit beim THW nach der Saison 2018/19 beendet hatte, wurde der frühere Spieler Filip Jícha neuer Trainer. Auf Anhieb holte er mit dem THW nach fünf Jahren wieder die Meisterschaft, die wegen der COVID-19-Pandemie vorzeitig beendet wurde.
Mit Sander Sagosen kam im Sommer 2020 von Paris Saint-Germain ein Weltklassespieler. Im Dezember 2020 gewann Kiel das Final-Four-Turnier nach Siegen über KC Veszprém (36:35 n. V.) und den FC Barcelona (33:28) – der vierte Champions-League-Titel.
Aktuelle Erfolge
In der Saison 2020/21 errang der THW zum 22. Mal die deutsche Meisterschaft. 2022 gewannen sie nach einem dramatischen Finale gegen den SC Magdeburg mit 28:21 zum 12. Mal den DHB-Pokal. 2023 sicherten sich die "Zebras" zum 23. Mal die deutsche Meisterschaft und bleiben damit der erfolgreichste deutsche Handballverein.
Die Erfolge im Überblick
Deutsche Meisterschaften
Der THW Kiel ist mit 23 Titeln deutscher Rekordmeister: 1957, 1962, 1963, 1994, 1995, 1996, 1998, 1999, 2000, 2002, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2012, 2013, 2014, 2015, 2020, 2021 und 2023. Zusätzlich gewannen sie 1948 und 1950 die deutsche Feldhandball-Meisterschaft.
DHB-Pokal
Mit 13 Titeln ist der THW auch deutscher Rekord-Pokalsieger: 1998, 1999, 2000, 2007, 2008, 2009, 2011, 2012, 2013, 2017, 2019, 2022 und 2025.
Internationale Erfolge
Viermal gewannen die "Zebras" die Champions League (2007, 2010, 2012 und 2020). Viermal triumphierten sie im EHF-Pokal (1998, 2002, 2004, 2019). 2011 gewannen sie als erste deutsche Mannschaft den Super Globe, die inoffizielle Vereins-Weltmeisterschaft.
Rekorde und Serien
Der THW Kiel hält zahlreiche Bundesligarekorde: die meisten Siege in Folge (40), die längste Serie ohne Niederlage (51 Spiele), das torreichste Spiel der Bundesliga-Geschichte (54:34 gegen SC Magdeburg) und als einziger Verein eine komplette Saison ohne Punktverlust (2011/12).
Bedeutung für den deutschen Handball
Der THW Kiel ist eine Institution, die den deutschen Handball geprägt hat wie kein anderer. Von den bescheidenen Anfängen 1923 mit einem Ball und ohne eigenen Platz bis hin zum erfolgreichsten deutschen Handballverein aller Zeiten – die Geschichte des THW Kiel ist die Geschichte des deutschen Handballs selbst.
Die "Zebras" haben Generationen von Handballfans begeistert, Legenden hervorgebracht und Standards gesetzt, die bis heute Maßstab sind. Mit 49 nationalen Titeln führt der THW die Erfolgsliste des deutschen Handballs an und bleibt das Aushängeschild einer ganzen Sportart.
Heute, über 100 Jahre nach den ersten Ballwürfen auf dem Platz des Priesterseminars, steht der THW Kiel für Tradition, Erfolg und die Faszination des Handballs. Die Geschichte der "Zebras" ist noch nicht zu Ende geschrieben – und die Fans dürfen sich auf weitere Kapitel dieser einzigartigen Erfolgsgeschichte freuen.